Teams sind dann gefragt, wenn es um große Aufgaben geht, die ein einzelner nicht schafft. Oder dann, wenn durch das Zusammenwirken von unterschiedlichen Fähigkeiten ein zusätzlicher Nutzen entstehen soll. Die Fachleute sprechen dann von Synergie – ganz simpel kann man es auch mit der arithmetisch nicht ganz korrekten Formel 1+1=3 beschreiben.
Soweit die Theorie. Die Praxis sieht in vielen Unternehmen jedoch häufig ganz anders aus. Die Erfahrung, die wir als Manager in unserer langjährigen Berufspraxis gesammelt haben, lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Überall dort, wo Menschen zusammenarbeiten, wird die meiste Energie nicht für das Streben nach Zielen oder die Wertschöpfung eingesetzt,sondern verpufft durch fehlende Motivation oder zwischenmenschliche Reibungsverluste.
Der Physiker sagt: Plus und Minus heben sich auf; der Mathematiker schreibt 1+1=0; wir nennen es Social Muda. Das japanische Wort Muda ist aus dem Lean Management bekannt und bedeutet Verschwendung.Verschwendung allerdings nicht im Sinne von Dekadenz oder gedankenloser Freizügigkeit. Vielmehr steht es für unnütze Tätigkeiten, also Arbeiten, die ausgeführt werden, ohne den Wert eines Produktes für den Kunden zu erhöhen. Es inkludiert aber auch Unterlassungen in Form von nicht wahrgenommenen Möglichkeiten. Muda umfasst das Handeln und Denken in einer holistischen Betrachtungsweise. Analog haben wir für die Verluste und ungenutzten Potenziale, die durch den menschlichen Faktor entstehen, den Begriff Social Muda geprägt.
Doch was kann man sich unter Social Muda konkret vorstellen und wie äußert sich Social Muda? Beobachtungen von Social Muda aus unserem Alltag entspannt genieße ich die Sonne auf der Liegewiese im Freibad, als mich plötzlich Kindergebrüll aus dem dämmernden Halbschlaf holt. Mein Blick richtet sich auf das Schwimmbecken mit dem großen Sprungturm. Ich beobachte einen kleinen Jungen, der am Rand des 3m-Brettes steht und ängstlich nach unten blickt.Hinter ihm eine lange Schlange ungeduldiger Kids, die endlich springen wollen.Jetzt erhebt sich auch noch eine aufgeregte Stimme – offensichtlich die Mutter,die vom Beckenrand nach oben schreit: „Na los! Spring endlich – trau dich!“ Subjektiv betrachtet, eine emotionale und spannende Szene. Nüchtern analysiert, ein klassisches Beispiel für Social Muda.
August 2013 herrschte Ausnahmezustand in Mainz. Über Tage und Wochen war der Hauptbahnhof faktisch vom Bahnnetz abgekoppelt und nicht zu erreichen. Nicht etwa ein gravierender, technischer Defekt oder gar ein Komplettumbau des Bahnhofs, der zu diesem Ausfall führte. Es war das Stellwerk,eine kleine Einheit von 15 Mann, die den Knotenpunkt des Schienennetzes in der Landeshauptstadt lahmlegte. Grund: Ein Krankenstand von 33%, und das mitten in der Urlaubszeit.
Sicherlich eine außergewöhnliche Situation – so außergewöhnlich, dass in der Presse Spekulationen über einen verdeckten Streik kursierten. Jedenfalls bekleckerte sich auch das Krisenmanagement der Bahn in dieser Situation nicht mit Ruhm, so dass selbst Bahnchef Grube zugeben musste:Dies ist eine große Blamage für die Bahn in Frankreich versinkt im Chaos“, so titelten es die Zeitungen zur Fußballweltmeisterschaft 2010. Doch was war passiert, nachdem die französische Nationalelf im Vorfeld des Turniers mit dem Pfund des Vizeweltmeistertitels und Starspielern, wie Thierry Henry und Franck Ribéry noch als Favorit gehandelt wurde?
Ein Trainer, der seinen Frust über die Leistung seines Teams in der Presse Luft macht. Eine Mannschaft, die das Training boykottiert. Spieler werden suspendiert; der Trainer tritt zurück –ein Eklat reiht sich an den nächsten und ein Spiel ums andere wird verloren.Als die Schlammschlacht in der Presse ihren Höhepunkt erreicht, schaltet sich Staatspräsident Sarkozy ein und lässt verkünden, dass die Spieler das Image Frankreichs beschädigt hätten. Die Schmach über das Ausscheiden in der Vorrunde geht in der Eskalation vom Fußballdrama zur Staatsaffäre dabei fast unter.
Ob fehlende Kompetenz auf dem Sprungbrett, mangelnde Motivation und schlechte Organisation im Stellwerk, oder menschliche Eitelkeiten und fehlender Teamgeist auf dem Spielfeld – überall ist es das nicht funktionierende Zusammenwirken von Menschen, die Abläufe ins Stocken bringen und Erfolge vermissen lassen – eben Socal Muda!‘, ‚Social Muda live oder wenn 1+1=0 ergibt‘, ‚